Nun hat auch das Handelsblatt die Reißleine gezogen: Ab jetzt dürfen nurmehr registrierte Leser kommentieren, die sich unter ihrem Klarnamen anmelden.
Wir wollen den Austausch auf Augenhöhe, das bestechende Argument und auch die gekonnte Polemik. Aber: Wir sagen, wer wir sind und unsere Leser künftig auch. Das anonyme Zitieren wollen wir beenden. Alle Leserinnen und Lesern sind uns als Kommentatoren willkommen, die sich mit ihrem Namen für die Diskussionsforen auf Handelsblatt Online anmelden. Demokratie und Meinungsfreiheit brauchen Offenheit und Toleranz.
Ich frage mich, ob das nützt. Schließlich kann sich jeder unter einem falschen Namen anmelden und trollen, was das Zeug hält. Der Nutzen, der von solchen Maßnahmen ausgeht, liegt wohl eher an der Unbequemlichkeit des Einloggens: ganz so spontan lospoltern ist dann nicht mehr und offenbar schreckt das einige tatsächlich ab.
Dass es sich bei Foren-Trollen oft um „verkappte Sadisten“ handelt, berichtet Heise online und führt dazu diverse Studien an, die zum Thema Internet-Trolle durchgeführt wurden:
„Kanadische Forscher sind nun dem Troll-Charakter mit einer Online-Studie auf den Grund gegangen. Sie berichten, dass solche Menschen offenbar tatsächlich von ihrer dunklen Seite getrieben werden, dass sie häufig antisozial eingestellt sind und mehr negative persönliche Eigenschaften aufweisen als andere. Vor allem zeigte sich ein Hang zum Sadismus, schreiben die Psychologen im Fachblatt Personality and Individual Differences. Dieser Hang war umso stärker, je häufiger jemand im Internet Kommentare abgab. Ob nun aber das häufige Kommentieren einen unterschwelligen Sadismus fördert oder umgekehrt, bleibt unbeantwortet. Sicher ist demnach aber das Vergnügen an der Zerstörung.“
Wer viel kommentiert ist häufiger Sadist? Das wäre ja eine echt steile These! Ich denke, dass da so eine Art Gruppenzwang wirkt: wenn die Stimmung sowieso schon mies ist und allgemein nurmehr geblödelt, geschimpft und beleidigt wird, fühlen sich normale Kommentier-Willige gar nicht mehr angesprochen, wohl aber jene, die genau diese zerstörerische Stimmung suchen.
Tja, da könnte ich echt nostalgisch werden! In den 90gern, als man Kommentare noch per Mail verschickte und sie „händisch“ unter Artikel setzte, gab es das Problem noch gar nicht. Vielleicht waren deshalb die damals gängigen „Netz-Utopien“ so ungemein positiv und euphorisch: man war nicht fortwährend mit der „dunklen Seite“ der Menschen konfrontiert und konnte sich der Illusion hingeben, ein förderliches Miteinander sei der Normalfall.
Traurig, dass die Trolle dieser Welt dem ein schnelles Ende gesetzt haben.