Alle reden dieser Tage über die Probleme, die die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) mit sich bringt. Allerdings hat diese Verordnung immerhin positive Seiten, denn es ist ein respektables Ziel, dass mit Daten nicht mehr so schludrig umgegangen werden soll wie bisher. Dass die DSGVO auch absurde Blüten treibt und vielen kleinen Webseitenbetreibern und Bloggern viel ziemlich unsinnige Arbeit macht, verdanken wir unserer Regierung, die das Ganze einfach ignoriert hat. Anstatt rechtzeitig ein Anpassungsgesetz auf den Weg zu bringen, dass die allgemeinen Begriffe der Verordnung konkretisiert, das evtl. auch unterscheidet zwischen Giganten und Konzernen einerseits und Mini-Unternehmen, kleinen Freiberuflern und nonkommerziellen Publishern andrerseits. Wie es andere Länder geschafft haben, DE leider nicht.
So nervig das Ganze aber auch ist: es macht erstmal Arbeit, macht manches unbequemer, aber man kann damit leben!
Demnächst für Links bezahlen?
Aber zur Sache: die weit größere Katastrophe, die gerade in die entscheidende Phase der europäischen Gesetzgebung tritt, heißt „Leistungsschutzrecht“ und „Uploadfilter“ bzw. „Linksteuer“ und „Zensurmaschinen“.
Beide Vorhaben werden, wenn sie so durchkommen, irreperable Schäden verursachen:
- Leistungsschutzrecht: Wir werden Medieninhalte nicht mehr frei teilen und verlinken können, weil immer das Fallbeil des „Leistungsschutzrechts“ drohend über uns hängt. Verleger aus Deutschland (besonders aktiv: Springer, wen wundert’s!) wollen „kleinste Textteile“ EU-weit kostenpflichtig machen.
Ihre Extremposition hat verhindert, dass es überhaupt eine gemeinsame europäische Vorgabe geben wird: jedes Land soll nun nach dem derzeit letzten Entwurf eines „EU-Leistungsschutzrechts“ machen / ausgestalten dürfen, wie es will! Bei 28 Staaten und 28 verschiedenen Leistungsschutzrechten werden sich Nicht-EU-Plattformen und Publisher natürlich an die restriktivste Lösung halten, schon aus Machbarkeits- bzw. Kostengründen. Von „einheitlichem Binnenmarkt“ ist keine Rede mehr!
- Uploadfilter, die jeden Upload auf Urheberrechtsverletzungen prüfen, werden die Freiheit, auch legale Nutzungen bereits einmal ins Web / auf die Plattform gestellter Inhalte verunmöglichen. Bye bye Meme, bye bye Fair Use, und tschüss unabhängige kleine Plattformen, die sich Zensurmaschinen gar nicht leisten können. Julia Reeda (EU-Abgeordnete) schreibt in ihrem lesenswerten Artikel Die Zensurmaschinen und das Leistungsschutzrecht kommen in die Zielgerade der EU-Gesetzgebung dazu:
„Im Gegensatz zur DSGVO sind sich Expert*innen praktisch einig, dass der Urheberrechtsentwurf in seiner aktuellen Form richtig schlecht ist. Während die EU-Institutionen bei der DSGVO viele Punkte gegen den massiven Widerstand von Industrielobbys durchsetzen konnten, sind diese beim Urheberrecht kurz davor, genau das zu bekommen, was sie wollen.“
Uploadfilter bedrohen / verunmöglichen sogar die Produktion freier Software (Open Source, wie WordPress zum Beispiel), da Plattformen wie Github unter die Filterverpflichtung fallen würden. CODE ist urheberrechtlich geschützt, doch wählen unzählige Entwickler offene Lizenzen, um die gemeinsam mit anderen zu erschaffenden Projekte überhaupt zu ermöglichen. Uploadfilter würden das alles wegrasieren – ein Wahnsinn!
- Die Infos verbreiten: in eigenen Blogs / Medien / Plattform-Accounts Artikel dazu schreiben
- Abgeordnete im EU-Parlament ANRUFEN – eine recht gut machbare Unterstützung gibt es hier bei Modzilla.
- Unterschreibt den offenen Brief auf SaveCodeshare.
- Tweeten: Schickt den verantwortlichen Abgeordeten im Rechtausschuss einen Tweet mit FixCopyright.
- Mailen: Schreib eine E-Mail an die Abgeordneten des Europaparlaments – hier geht das sehr bequem..
- EU-Staaten sprechen sich für Upload-Filter und Leistungsschutzrecht aus (Netzpolitik)
- EU-Reform des Urheberrechts hat nur wenige Freunde (H.Nehrlich / Verdi.de)
- Offener Brief: EU-Leistungsschutzrecht wird Qualitätsjournalismus nicht retten (Netzpolitik.org)
- „Straßenverkehrsordnung fürs Internet“ Der Freitag
- EU-Urheberrechtsreform: Wie die Affen auf der Schreibmaschine (Golem.de)
Lest unbedingt den Artikel von Julia Reeda, die den derzeitigen Stand der Dinge beschreibt. Die Zeit drängt, denn bereits am 21.Juni soll der Rechtsausschuss über eine (gegenüber dem letzten nochmal verschlechterten / verschärften) Entwurf der Urheberrechtsnovelle abstimmen.
Handlungsmöglichkeiten:
Und zum Einlesen hier mehr dazu:
Es fällt auf, dass unsere Mainstreammedien dazu weiträumig schweigen (hab die Suchworte „Leistungsschutzrecht“ und „Uploadfilter“ für die letzten 30 Tage bei den Großen abgefragt) – ein Schelm, wer Eigeninteresse dahinter vermutet!