Claudia Klinger am 18. Oktober 2010 —

Mücke oder Elefant? Wem gehört Facebooks Datenschutzlücke?

Zuerst die Fakten: Wer die datenhungrige Mega-Community nicht voll naiv nutzt und auch nicht immer brav alles tut, was Facebook dem Nutzer „vorschlägt“, ist trotzdem nicht geschützt gegen das „Ausspionieren“ der eigenen Mailkontakte – weil ANDERE eben nicht so daten-bewusst vorgehen. Und auch Nichtmitglieder sind nicht geschützt, denn:

Offenbar sind viele bereit, auf Kommando ihr Mailkonto von Facebook durchsuchen zu lassen. Sie geben dafür ihr Passwort preis und realisieren nicht, dass damit auch Nichtmitglieder gefunden und gespeichert werden. Wie denn auch, es wird ja nicht etwa angesagt!

So weiß Facebook recht genau, wer wen zumindest per Mailadresse kennt. Und das kann man auch selber heraus finden, indem man sich als neues Mitglied mit der Mailadresse eines „Auszuforschenden“ anmeldet. Schon vor der Bestätigung bekommt man dessen „Freunde“ vorgeschlagen (also Menschen, die diese Mailadresse in ihrem Mailprogramm haben.

Ist das nun ein neuer Datenschutz-Skandal? Und wenn ja, wem gehört der?

Zum Wochendende erschien dazu ein Artikel von Stefan Tomic in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS), den ich auf FAZ.net gefunden habe. Da wird von eigenen Tests berichtet und dass Verhandlungen mit deutschen Datenschutzbeauftragten bisher nichts gebracht hätten. Ein Bußgedlverfahren des Datenschützers wurde schon im Juli eingeleitet. Leutheusser-Schnarrenberger plädiert wieder mal für schärfere Datenschutzregeln – und Facebook geht das offenbar alles am A… vorbei! Schweinerei das! (=meine Worte, kein Zitat!).

Und nun setzt der Chor ein:

Thomas Knüwer berichtet lang und breit über Abschreiben mit der “Frankfurter Allgemeinen Sonntgszeitung”. Er wirft Tomic/der FAS vor, einfach nur abgeschrieben zu haben, was Techcrunch, der taz und Welt bereits Wochen zuvor vermeldet hätten. Da machte nämlich die Runde, wie sich Techcrunch-Gründer Michael Arrington als Google-CEO Eric Schmidt mit dessen Mailadresse bei Facebook anmeldete – und genau das erlebte, was Gegenstand des Artikels war: Er bekam Schmids „Freunde“ vorgeschlagen…

Martin Weigert haut auf Netzwertig.com im Aritkel Die Sehnsucht der Medien nach der nächsten Datenschutzlücke. erstmal in diesselbe Kerbe: Die „Lücke“ sei alter Wein in neuen Schläuche, faktisch auch wirklich suboptimal, aber nicht weiter wild. Die Massenmedien (und hier speziell die FAS) machten aus einer bekannten Mücke einen spektakulären Elefanten und es mangele an differenzierter Betrachtung des Problems. Statt dessen würden Datenschützer und Politiker (z.B. Leutheusser-Schnarrenberger) vor den FAS-Karren gespannt, von denen wie üblich Statements eingeholt wurden.

Kindergarten….

Naja… wenn ich noch länger rumsuchen würde, fände ich vermutlich weitere Blog-Artikel, die sich daran reiben, was das „Qualitätsmedium“ hier nun falsch oder nicht gut genug gemacht hat und wer von wem abgeschrieben hat, ohne ordentlich zu verlinken.

Wie kleinkrämerisch! Wir wissen doch alle, wie Mainstream-Medien agieren – und jeder, der mag, darf es anders machen und die Welt mit „differenzierten Betrachtungen“ beglücken. Mir kommt dieses Herumhacken auf solchen Themen oft vor wie der Streit von Sandkastenkindern: Das Förmchen gehört aber mir, mit dem darfst du nicht spielen, ohne mich zu fragen. Und wenn du aber doch damit spielst, musst du genau SO spielen, wie ich das gut finde – und nicht irgendwie anders!

Weigert schreibt dann auch halbwegs erbost über den Erfolg des Mainstream-„Linkbaits“:

Jeder berichtet darüber: Die offensichtliche Rechnung der FAS ging auf: Viele führende deutsche Onlinemedien berichteten unter Berufung auf die “FAS-Recherchen” über das angeblich “neue” Problem bei Facebook. Die Wortwahl reicht von Sicherheitslücke über Datenschutzlücke bis zu Datenleck. Wenig hinterfragende Gedanken, kaum differenzierte Sichtweisen auf das Thema. Stattdessen einfach nur schnell umgeschrieben und möglichst schmissig formuliert.“

Na und? Ist doch gut, wenn viele Medien die Sache aufnehmen und weiter tragen, so dass auch viele der nicht so erfahrenen Facebook-User mitbekommen, was sie da tun, wenn sie ihr Mailprogramm öffnen! Und mittels der involvierten Politiker und Datenschützer steigt dann vielleicht auch mal der Druck auf Facebook so weit, dass die sich endlich mal bequemen, ihren Anmeldeprozess entsprechend zu ändern. Was ja verdammt leicht möglich wäre, wie wir alle (inkl. Facebook) lange wissen!

Und wem jetzt hier die differenzierte Betrachtung fehlt: Ich mag informationelle Selbstbestimmung! Mailadressen, die ich im privaten Mailverkehr frei gewählten Personen gegeben habe, will ich nicht ohne meine Zustimmung in Facebooks Datenbanken sehen, weil irgend ein Hirni sich da gerne Mail-technisch nackt macht. Dass sowas auch andere Dienste so handhaben, macht die Sache nicht besser. Und wenn das immer bekannter und allgemein kritisiert wird, dann ist das GUT SO!

Diskussion

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2 Kommentare zu „Mücke oder Elefant? Wem gehört Facebooks Datenschutzlücke?“.

  1. Footer: „Sollten Sie Mitglied bei Facebook oder einem anderen ’sozialen Netz‘ sein, löschen Sie bitte meine Mail-Adresse.“?

  2. Danke für den interessanten Artikel. Wieder etwas gelernt…ich hätte nie gedacht, oder sagen wir mal so, ich weiß dass alles irgendwie geht, aber da ich persönlich nicht weiß wie, so ist es immer sehr fern. Danke, dass du es zur Sprache bringst.