Claudia Klinger am 29. Dezember 2011 —

Das Volk vor Facebooks Timeline schützen?

Eine „harte Gangart“ gegen Facebook kündigte die Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner dieser Tage an. Insbesondere die neue Timeline ist ihr ein Dorn im Auge, in der User ihre persönliche Geschichte bis zurück zur Geburt eingeben können. ABSURD findet sie das, es sei „das Gegenteil von Medienkompetenz“, denn diese verlange, sparsam mit persönlichen Daten umzugehen.

Vor wem sollen wir hier beschützt werden? Doch offensichtlich vor uns selbst, denn niemand ist ja gezwungen, die angebotene Timeline exzessiv mit Daten zu befüllen. „Medienkompetenz“ heißt in meinem Verständnis immer noch, zu wissen, was man tut, Risiken zu kennen und abzuwägen und dann eine bewusste, verantwortliche Entscheidung zu treffen. Und nicht etwa, von Politikern vordefinierte Standards im persönlichen Daten-Streuverhalten einzuhalten!

Alle Welt würde sich an den Kopf greifen, würde ein Politiker etwa Straßenverkehrskompetenz als Pflicht zum Verzicht auf alle „unnötigen“ Autofahrten definieren oder anraten, möglichst wenig aus dem Haus zu gehen, weil ja draußen doch etwas passieren könnte.

Absurdes Theater! Und vor allem: wie und mit welchen Rechtsmitteln will man den Usern die Timeline verbieten? Wo hört das auf? Sind nicht auch persönliche Blogs oft voller persönlicher Daten? Das alles müsste dann auch weg, damit auch wirklich keine Gefahren mehr drohen.

Ich möchte selbst bestimmen, was ich mit meinen Daten mache. Und wenn ich entscheide, dass ich „gläserner Bürger“ sein will, dann sollte mich niemand zwangsschützen, sondern umfassend informieren. Mehr nicht.

Diskussion

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4 Kommentare zu „Das Volk vor Facebooks Timeline schützen?“.

  1. Sign. Und zwar genau so. Danke. :-) Aber ich befürchte, dass manch einer das nicht begreifen wird. Medienkompetenz ist halt nicht nur eine Worthülse. ^^

  2. Ist weitgehend richtig. Das mit der Medienkompetenz ist halt so eine Sache: Auch Politiker sind nicht gefeit vor fehlender Kompetenz. Im Moment kocht das Alles einerseits reichlich hoch, andererseits sind sämtliche Aktionen eigentlich irgendwie zu kurz gegriffen.

    Grunsätzlich gut ist, dass über die Datenschutzaspekte überhaupt debattiert wird. Eine anhaltende Diskussion darüber schafft langsam aber sicher ein gewisses, vielleicht minimales, Problembewusstsein. Aber auf der anderen Seite ist es nicht angebracht, den Bürgern zu verbieten, ihre privaten Daten einer beliebigen Firma zur Verfügung zu stellen. Jeder sollte das Recht haben, nackt herumzulaufen. Insofern helfen hier Verbote Nichts. Aufklärung und anhaltende Diskussion bringt hoffentlich langfristig was.

    Es gibt allerdings einen anderen Aspekt, wo der Staat durchaus helfend eingreifen könnte. Es kommt ja vor, dass Jemand seinen Account bei z.B. Facebook kündigt. Mit der Kündigung sollte die Löschung aller persönlicher Daten erfolgen. Das ist bei Facebook nicht so. Hier könnte der Staat helfen, die Löschung durchzusetzen. Ebenso könnte der Staat helfen, eine missbräuchliche Nutzung der Daten zu ahnden. Aber der Staat kann und soll nun mal den Bürger nicht zu seinem Glück zwingen.

    Daher: Aufklärung ja. Anhaltende Diskussion: ja. Zwang zum Datenschutz: Nein. Und wenn der Staat dann ggf. Hilfe beim Aussteigen anbietet: Klasse. Mehr wird nicht drin sein.

    Was nötig wäre, das wäre ein international anerkanntes Recht am Eigentum persönlicher Daten. Jeder Bürger kann privaten Firmen wie auch Staaten ein widerrufliches Nutzungsrecht mit genau umrissenem Verwendungszweck erteilen, aber damit dürfen diese Daten nicht, wie bisher üblich, in das Eigentum der jeweiligen Firma übergehen. Hier könnte sich unser Staat wirklich mal nützlich machen.

  3. @Siegfried: danke für deinen umfangreichen Kommentar, dem ich in weiten Teilen zustimme!

    Die Analogie „persönliche Daten veröffentlichen“ und „nackt herum laufen“ finde ich allerdings falsch. Das gibts ja grade auch visualisiert im TV (vergessen, welche Sendung es war) und ist nichts weiter als ein populistischer Versuch, das „sich zeigen im Web“ warum auch immer in ein negatives Licht zu rücken (= böses Internet, zeig dich da lieber nicht!).

    WARUM passiert das? Als Webseiten/Blog-Betreiberin mit „an die Allgemeinheit“ gerichteten Beiträgen bin ich doch z.B. sowieso gesetzlich verpflichtet, ein ordentliches Impressum anzugeben. Der Kern der „persönlichen Daten“ (Name, Adresse etc.) ist also sowieso bekannt. Steht auch im Telefonbuch und noch niemand fand das seltsam!

    Alter: warum sollte ich mein Alter verheimlichen? Auf Kunst-des-Alterns.de hab ich im Gegenteil eine (freiwillige) Eingabe für „Jahrgang“ geschaffen, denn es ist nicht dasselbe, wenn ein 20-Jähriger übers Altern spricht, als wenn es ein 60-Jähriger tut.

    Aus der persönlichen Lebenserfahrung schreiben ist gar nicht möglich, wenn ich nicht auch diesen und jenen Fakt bekannt gebe (z.B. Urlaub, Krankheit, Hobbys/Vorlieben, politische Meinungen etc.) – sich da voll bedeckt zu halten, heißt, sich selbst quasi wegzuzensieren. Und man verliert an Glaubwürdigkeit, wenn man sich stets bedeckt hält.

    Dennoch fühle ich mich bei alledem nicht „nackt“!! Daten aus dem, was ich als meine Intimsphäre betrachte, veröffentliche ich nicht. Aber WAS das ist eben von Person zu Person verschieden!

  4. Vermutlich geht es hier doch hauptsächlich um die Kinder und Jugendlichem, die geschützt werden sollen. Um die, die noch keine Medienkompetenz erworben haben. Weil später könnten die einmal eingebenden Angaben zu Nachteilen beispielsweise bei Bewerbungen führen. Angeblich scannen Firmenchefs ja alle das Internet nach dem Namen und nach Fotos der Bewerber, um mehr über sie herauszufinden.